Der Fischhof in Wickede Wiehagen
Eine Angel in der Schutzhütte am kleinen Forellenteich

Mehr als 200 Jahre Tradition. Die Hofstätte Baumüller

Wie aus einem kleinen Klosterkotten unser moderner familiengeführter Fischpark mit wunderschönen naturbelassenen Teichen wurde, erzählt diese kleine Geschichte.

Vom Klosterkotten zum Fischhof

Ein Bediensteter des Klosters Scheda gründete 1773 die kleine Hofstätte Baumüller. Sie gehört heute zu Wiehagen bei Wickede (Kreis Soest). Zur Landwirtschaft musste stets hinzuverdient werden: durch Schneidern, Schreinern, Milchhandel oder Fischvermarktung

 

Zwei Reichstaler muss Caspar Baumüller jährlich zahlen für ein kleines Fleckchen Land, dass er vom Prämonstratenserkloster Scheda 1773 zur Nutzung erhält. Auf einer Fläche von 40 Quadrat-Ruthen, umgerechnet 600 m2, errichtet er ein Fachwerkhäuschen. Auf weiteren 66 Quadratruthen, umgerechnet 940 m2, legt er einen Garten an.

 

Damit beginnt die Geschichte der kleinen Hofstätte Baumüller, die im Schatten des heutigen Landgutes Scheda bei Wickede (Ruhr) liegt, an der Westgrenze des Kreises Soest. Die Stätte entstand zu einer Zeit, als vielerorts in Westfalen solche kleinen Siedlungen und Kotten gegründet wurden. Die meisten dieser Klein- und Kleinstbetriebe haben die Landwirtschaft längst aufgegeben. Nur wenige haben sich halten und so entwickeln können, dass die Eigentümerfamilien bis heute von der Landwirtschaft leben können. Ein für westfälische Verhältnisse eher seltener Zweig der Landwirtschaft, nämlich die Fischzucht und -vermarktung, bildet heute das Hauptstandbein des Betriebes Baumüller.

Zwischen zwei Welten

Die Geschichte der Hofstätte hat der Familien- und Heimatforscher Josef Kampmann aus Wickede erforscht – und zwar im Zuge der Vorbereitungen zur 800-Jahr-Feier im Dorf; sie fand am Wochenende statt. Zu Wiehagen gehörte der Hof ursprünglich gar nicht, obwohl er nur wenige hundert Meter vom Dorf entfernt liegt. Doch zwischen der Hofstätte und dem Dorf plätschert der „Strullbach“. Dieser Bach bildete eine Territorialgrenze und trennte jahrhundertelang zwei Welten. Der Kotten lag diesseits des Baches in der Grafschaft Mark. Auf der anderen Seite des Baches hingegen begann das kölnische Herzogtum Westfalen. Erst die kommunale Neuordnung 1969 löste diese „Demarkationslinie“ auf und schlug damit auch den Hof Baumüller zum Dorf.

Schwabener Vorfahre

Der älteste bekannte Vorfahre der heutigen Familie Baumüller, so hat Josef Kampmann herausgefunden, ist aus Schwaben nach Westfalen gekommen. Im Jahr 1748 heiratete er in Werl-Büderich eine Frau namens Elisabeth Sina. Im Trauregister steht: „Ambrosius Baumuhler ex Heckingen“. Bei der Taufe des Sohnes Johan Caspar ein Jahr später wird seine Herkunft mit „ex Suewia“ angegeben, also „aus Schwaben“. Auch seine Tätigkeit wird in den Quellen genannt: Er sei „Bedienter auf dem adeligen Kloster Scheda“.

 

Dieses Kloster lag in der Grafschaft Mark, unmittelbar an der Grenze zum kölnischen Herzogtum Westfalen. Es war ursprünglich ein Prämonstratenserkloster und ist 1197 gegründet worden. Bis zu seiner Aufhebung und Verstaatlichung im Jahr 1807, der „Säkularisation“, war das Kloster einer der größten Grundherren in der Umgebung. Viele Bauernhöfe im Umland waren dem Kloster zu Abgaben verpflichtet.

Streit um Huderechte

Noch auf dem Territorium der Grafschaft Mark, unmittelbar am Grenzbach, baute sich der Sohn des schwäbischen Zuwanderers, Caspar Baumüller, eine kleine Existenz auf. Mit seiner Frau Elisabeth geb. Fischer aus Warmen bewohnte er das Häuschen, das er 1773 auf dem vom Kloster überlassenen Erbpachtland errichtet hatte. Für das Land hatte er jährlich zwei Reichstaler Erbpacht zu zahlen. Dafür erhielt er die Nutzungsrechte an den Grundstücken und ein „Huderecht“ für zwei Kühe und ein Rind. Diese Tiere durfte er auf die Weideplätzen des Klosters austreiben und dort weiden lassen. „Dieses Recht“, so betont Josef Kampmann zu Recht, „stellte seinerzeit einen besonderen Wert da, denn Caspar Baumüller hatte sonst keine Möglichkeiten, sein Vieh durchzubringen.“

 

Genau um dieses Huderecht kam es in der nächsten Generation zum Streit. War der Vater Caspar Baumüller noch im Kloster tätig, so verdiente sich sein Sohn Friedrich als Schneider ein Zubrot. Das Kloster war inzwischen aufgelöst und als Domäne an den Reichsfreiherrn vom und zum Stein verkauft worden; es ist noch heute im Zuge der Erbfolge im Besitz der Nachkommen, heute des Grafen von Kanitz zu Cappenberg.

 

Die damaligen Eigentümer der Domäne bestritten, dass dem Schneider und Kleinbauer Baumüller das Huderecht zustand. Friedrich Baumüller wurde 1829 sogar zu vier Reichstalern Strafe verurteilt; da er dieses Geld nicht zahlen konnte, wurde ihm ein Rind und ein eiserner Topf gepfändet. Doch der Kleinbauer gab nicht auf. Er bot zehn Zeugen auf, die bestätigten, dass der Familie das Huderecht zustand.

 

Über 23 Jahre zog sich der Rechtsstreit zwischen der Domäne und Friedrich Baumüller hin. Erst sein gleichnamiger Sohn erlebte, dass 1852 der Streit mit einem Rezess beendet werden konnte. Friedrich Baumüller junior verzichtete auf das ihm zustehende Huderecht; von Seiten der Eigentümerin, der Gräfin von Kielmannsegg, geb. Freiin vom Stein, erhielt er im Gegenzug 2 Morgen 70 Ruthen und 23 Fuß Acker, dazu noch 64 Ruthen und 787 Fuß Hudeland.

Suche nach Zubrot

Friedrich Baumüller junior beackerte die Ländereien des Kotten und verdiente ebenfalls ein Zubrot: nicht als Schneider wie sein Vater, sondern als Schreiner und Zimmermann. Diese Tätigkeit scheint vergleichsweise einträglich gewesen zu sein. Denn immerhin schaffte er es, die jährliche Erbpacht von 2 Reichstalern durch eine einmalige Zahlung von 40 Reichstalern abzulösen. Der Hof war zwar immer noch klein, aber er war nun rechtlich selbständig und Eigentum der Familie.

 

Einen wiederum anderen Weg, zur kleinen Landwirtschaft etwas hinzuzuverdienen, schlug sein Sohn Franz Baumüller ein. Er arbeitete als Kleinbauer – und als Maurermeister. Später versuchte er sich auch als Gastwirt. Dieses Vorhaben wurde beendet, ehe es recht begonnen hatte, denn er erhielt keine Ausschank-Genehmigung.

 

Diese Suche nach einem Zuverdienst bildet den roten Faden durch die Geschichte des Hofes und der Familie Baumüller – bis in die jüngere Vergangenheit. Als Hubert Baumüller in den 1960er Jahren das elterliche Erbe antrat, war der Hof rund 12 ha groß. „In den 20er Jahren hatte mein Vater einige Grundstücke erwerben und den Betrieb ausbauen können“, erzählt er. Etwa sechs bis acht Milchkühe standen im Stall, dazu Jungvieh und zehn Schweine, als Baumüller den Hof übernahm. Darüber hinaus betrieb er einen ambulanten Milchhandel. Doch das lohnte sich immer weniger, die Konkurrenz der Supermärkte wurde zu groß.

 

Baumüller schlug einen völlig anderen Weg ein. Ausgerechnet im Strullbach, der uralten Grenzlinie, fand er eine Möglichkeit des Zuverdienstes. Das Quellwasser entspringt in der Nähe und durchquert sein Eigentum. 1968 erhielt der Landwirt eine Genehmigung, um Fischteiche anzulegen. Er setzte Forellen aus und gab Angelscheine für Sportangler aus.

 

1972 errichtete er eine Räucherei. Später baute er die Stallungen um. Darin brachte er Wasserbecken zur Fischzucht unter. Drei eigene sowie hinzugepachtete Fischteiche bilden heute das Fundament der Hofstätte, die inzwischen vom Sohn Frank Baumüller und seiner Frau bewirtschaftet wird. Neben der Fischzucht und -vermarktung betreibt er weiterhin die „klassische“ Landwirtschaft, wenn auch in bescheidenem Umfang: Auf den Ländereien reift Getreide, die Weiden liefern Futter für die 35 Schafe, und zum Weihnachtsfest hin werden Gänse gemästet und direkt vermarktet.

 

(Gisbert Strotdrees)

Die Fischstube – köstliche Fisch-Spezialitäten